Als vor 1-2 Jahren die ostasiatischen Leihfahrrad-Anbieter mitteleuropäische Städte mit ihren Billigrädern zur Miete überfluteten, war die Preispolitik ein wichtiger Punkt in der Diskussion. Es war mehr oder weniger Konsens, daß es den Anbietern langfristig nicht um die wenigen Cent für die Kundenfahrten geht, sondern um die Bewegungsdaten der Kunden.
Jetzt sind E-Tretroller der letzte Schrei, in Wien stehen schon drei Anbieter. Sie müssen ihre Tretroller jeden Abend einsammeln und in der Früh rausbringen, sie zwischendurch aufladen, die Funktion prüfen und warten. Das ist angesichts der Kosten von Arbeit in Österreich schon ein gewagtes Geschäftsmodell. Die theoretische Bewertung der beiden US-Anbieter liegt laut Medien im Milliarden-Bereich. Hierzu gibt es wieder die Annahme, daß zukünftige Einnahmen nicht nur durch die (ziemlich günstigen) Kundenfahrten, sondern durch Auswertung und Verkauf der Bewegungsdaten generiert werden können.
Denken wir dieses Geschäftsmodell mal für Europa durch. In der EU gelten strenge Datenschutz-Vorschriften, es ist also zumindest legal nicht möglich, Daten wie „XY ist am 1.12.2018 von A nach B gefahren“ zu verkaufen. Sehr wohl kann man aber Daten aggregieren und Dinge auswerten wie „Aus dem Bereich von Alt-Erlaa in den Bereich der UNO-City fahren am Tag durchschnittlich 7 Menschen, 4 davon am Vormittag, 2 am Nachmittag und 1 am Abend“. Nur, wer fragt solche Informationen nach, und wie viel ist er/sie bereit, dafür zu zahlen? Die Stadt Wien, VerkehrsplanerInnen, vielleicht Firmen, die autonomes Fahren entwickeln, andere Verkehrsdienstleister. Nur wird diese Art von Information schon entweder selbst erhoben (die Wiener Linien können das z. B. sicherlich zählen), oder seit Jahren etwa von Mobilfunkfirmen angeboten.
Bei SCO2T haben wir in mehr als vier Jahren, mit vielen tausend Fahrten pro Monat, mit einer großen Präsenz in Fachkreisen und bei Konferenzen, keine einzige Anfrage in diese Richtung bekommen. Das deutet für mich eher darauf hin, daß dieser Markt für aggregierte Bewegungsdaten (noch) nicht existiert, zumindest nicht in Wien.
Neben dem Verkauf der Daten kann man sie natürlich auch intern analysieren, damit Prozesse optimieren und die Dienstleistung für die Kunden verbessern. Z. B. können wir die Scooter nach einer Servicefahrt dort abstellen, wo die Wahrscheinlichkeit einer neuen Miete am höchsten ist. Für diese Analyse sind die Daten von vergangenen Fahrten ohne Kundenbezug notwendig. (SCO2T bezieht grundsätzlich keine personenbezogenen Daten von Kunden in solche Analysen ein — es ist einfach nicht notwendig.)
Meine Schlußfolgerung: Ich als Data Scientist mit GIS-Erfahrung und direktem Zugang zu entsprechenden Bewegungsdaten sehe keinen großen legalen Markt für den Verkauf dieser Daten.
Natürlich könnten Anbieter auf illegale (oder zumindest im Kleingedruckten versteckte und unmoralische) Ideen kommen. Z. B.: Kunde A ist schon öfter ins Donauzentrum gefahren und ist wieder auf dem Weg dorthin. Voraussichtliche Ankunft: 13:30. Wenn man diese Information an Google weitergeben kann, könnte ich mir vorstellen, daß dafür einige Cent gezahlt werden — schließlich kann der Person dann zur richtigen Zeit ortsbezogene Werbung gezeigt werden. Diese Geschäftsmodelle existieren in den USA, und werden als Zukunft der Werbung angesehen — ich sehe aber nicht, wie sie mit der DSGVO vereinbar wären, außer mit expliziter Zustimmung der Kunden. Und selbst wenn — Milliarden wird man damit auch nicht verdienen (nur Google).